Von der politischen Bedeutung des Weines - oder: Der Reichstag zu Augsburg 1550 im Zeichen des Rebensaftes

Ein Bericht aus dem "Sonntags=Blatt für jedermann aus dem Volke" im September 1869


Philipp II. von Spanien

Von der politischen Bedeutung des Weines


Die Kaltwasserkur ist eine Erfindung der Neuzeit, unsere Vorfahren hielten sich lieber an den Wein und standen, dieser Vorliebe wegen, nicht in allerbestem Rufe.
Philipp II. von Spanien , der römischer König werden wollte, glaubte sich auf dem Reichstage zu Augsburg 1550 nicht besser bei den Reichsständen insinuiren zu können, als durch tüchtiges Trinken, und der französische Gesandte Marillac schreibt darüber: "Der Aufforderung des Cardinals von Trident gemäß hat Philipp den hier anwesenden Kurfürsten ein Gelag gegeben und auch bei ihnen gegessen. Überall suchte er sich als gelehriger Schüler zu zeigen und trank zwei, dreimal mehr, als er vertragen konnte, worauf der Cardinal als sein Hofmeister bemerkte: er fasse gute Hoffnung, daß, wenn er auf diesem Wege verharre, er mit der Zeit die Herzen der Deutschen gewinnen werde."
Der auf dem Reichstag zu Augsburg 1558 anwesende venetianische Gesandte berichtet nach seiner Heimath: "man esse stark, aber noch mehr trinke man, weshalb ein Deutscher, sobald er mäßig sei, für krank gehalten werde."