Von der Verantwortung für das eigene Gesicht

Albert Camus in der Fotografie

von Anne-Kathrin Reif

Albert Camus 1957 - Foto: Robert Edwards
Von der Verantwortung
für das eigene Gesicht
 
Gestern habe ich hier die urheberrechtlichen Schwierigkeiten erwähnt, was den Gebrauch von Zitaten betrifft, und ich harre weiterhin der ausstehenden Antwort vom Gallimard-Verlag. Noch komplizierter wird es allerdings, wenn es um die Veröffentlichung von Fotos geht. Von Camus gibt es nur äußerst wenige lizenzrechtliche frei verfügbare Fotografien. Eines davon, das den Autor 1957 im Bogart-Trench und mit Zigarette zeigt, sehen Sie heute. Die wenigen anderen spare ich mir für später auf. Nun wäre man als echter Camus-Freund ja sogar durchaus bereit, Bild-Veröffentlichungsrechte für einen überschaubaren Betrag zu erwerben. Allein auch das ist so gut wie unmöglich, wie ich bei den Recherchen für diesen Blog feststellen mußte. Jedenfalls haben die großen Agenturen, die auf den Camus-Bildern sitzen, allesamt bedauernd mitgeteilt, daß sie keine Bildrechte für “private Zwecke” vergeben. Und als solcher gilt offenbar auch ein privat betriebener öffentlicher Blog.
 
Das ist schade, denn natürlich hätte ich hier auch gern Beiträge mit Camus-Fotos illustriert oder ein kleines Fotoalbum angelegt. Es gibt nur wenige Autoren, die so sehr mit ihrer ganzen Person für ihr Werk eingestanden haben wir Camus, und so entsteht unwillkürlich das Bedürfnis, auch dem Menschen Camus näher zu kommen, wenn man sich in sein Werk vertieft. Jedenfalls geht es mir so. Außerdem sah er nun mal einfach verdammt gut aus, trotz eher geringer Körpergröße und Knick-Ohr. ”Von einem bestimmten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich”, heißt es in „Der Fall“ (1) An den Satz muß ich immer denken, wenn mir ein Gesicht begegnet, dessen verkniffene Lippen von Engherzigkeit und frühem Verlust der Sinnlichkeit erzählen, oder wenn sich in verhärteten Linien ein überhebliches Gemüt, zu lange erlebte Freudlosigkeit oder eine resignative Lebenseinstellung abmalen. Und neuerdings fällt er mir auch ein im Anblick von Gesichtern, denen man immer häufiger in Illustrierten und Fernsehtalkshows begegnet, diesen für viel Geld glattgezogenen, festgetackerten, teilgelähmten und aufgespritzten Gesichtern, deren Besitzer(innen) ebenso verzweifelt wie erfolglos versuchen, die Spuren, die das von ihnen selbst gelebte Leben ihnen eingetragen hat, ungeschehen zu machen.
Nun wissen wir leider nicht, wie Camus im Alter ausgesehen hätte, und natürlich war er auch ein ganz schönes Stück weit vom Schicksal begünstigt, was sein Aussehen anging. Kollege Sartre konnte ein Lied davon singen. Aber ich denke doch, daß man das Zitat aus Der Fall getrost auch auf Camus selbst anwenden kann. Seine Bilder zeigen einen Mann, dessen hohe Stirn von Gedankenlinien durchzogen ist, sie zeigen einen zugleich scharf umrissenen und sinnlichen Mund, warme und klar blickende Augen und Gesichtszüge, in denen sich Ernsthaftigkeit und Humor, Nachdenklichkeit und Freude spiegeln.
 
Veröffentlichen darf ich diese Fotos hier nicht, aber sie bei den entsprechenden Agenturen selbst anzuschauen, ist ja nicht verboten:
www.magnumphotos.comwww.roger-viollet.frwww.timelifepictures.com. Außerdem gibt es eine Art kleines biographisch angelegtes Fotoalbum als You-tube-Video, bei dem ich selbstverständlich davon ausgehe, daß der Verfasser die Bildrechte ordnungsgemäß erworben hat.
 
(1) Albert Camus, “Der Fall.” Deutsch von Guido G. Meister. © Rowohlt Verlag 1957, S. 49


 
© 2013 Anne-Kathrin Reif - Übernahme aus „365 Tage Camus" mit freundlicher Erlaubnis
Redaktion: Frank Becker