Mein lieber Schwan!

David Bösch inszeniert Goldonis „Der Diener zweier Herren“ in Bochum als platte Klamotte

von Andreas Rehnolt

Mein lieber Schwan!
 
David Bösch bringt den Goldoni-Klassiker
„Der Diener zweier Herren“
als trashige Requisitenschlacht auf die Bühne
des Bochumer Schauspielhauses
 

Bochum - Biertischgarnituren, Dutzende Klappstühle, ein Sarg, ein Fahrrad, ein Motorroller, schwere Koffer, jede Menge Schuß- und Stichwaffen, Ketchup-Flasche und ein Topf Spagetti. Das alles und noch viel mehr sorgt in David Böschs Version des Carlo Goldoni-Klassikers „Der Diener zweier Herren“ für überreichliche Zutaten. Allein: Die Premiere des 1746 geschriebenen Stücks am 1. Dezember im Schauspielhaus Bochum litt unter dem zuviel an Beiwerk - was witzig wirken sollte, blieb aber fad in dieser Commedia dell'arte. Die Schauspieler - mit Ausnahme der wundervoll agierenden Xenia Snagowski in der Rolle des Dienstmädchens Smeraldina - hechelten zumeist den viel zu vielen Regieeinfällen hinterher.
Nicola Mastroberardino als stets hungriger und nie essender Diener Truffaldino ist zudem in der knapp dreistündigen Bösch-Variante (inkl. Pause) als Hauptfigur extrem quirlig und wirkt oft überdreht. Das Stück über einen Diener, der sich gleich von zwei Herren anwerben läßt, auf doppelten Lohn und doppeltes Essen setzt und in seiner Aufgeregtheit immer wieder für Verwirrung sorgt, kommt in Bochum zudem recht trashig über die Bühne. Da wird geschossen und der ganz in Marilyn Monroe-Posen daherkommenden Clarice (Maja Beckmann) ein Auge ausgestochen. Ihr Vater fällt in einen offenstehenden Sarg und schlägt sich als Mischung aus Mafioso und Dracula aus dem Behältnis in die Freiheit.
 
Im Verlauf der Wirren um Florindo und Beatrice, die beide am Ende des viel zu langen Stücks erschossen im Hintergrund der Bühne liegen und Clarice und Silvio, die sich nach reichlich Hauen und Stechen doch noch vertragen und beide mit einer Augenklappe versehen in eine Art von Happy End taumeln, bleibt Smeraldina am Ende die einzig Glückliche. Ein hübsches Schlußbild, wie sie mit einer großen Hochzeitstorte zum völlig erschöpften Truffaldino kommt und beide sich den Mund mit Sahnetorte bemalen und in einem nicht enden wollenden Kuß den leisen Triumph des Dienerpärchens im wahrsten Sinn des Wortes „auskosten“.
Mit Goldonis „Diener zweier Herren“ hat die Bösch-Variante, die sich an einer Bearbeitung der Komödie von Roberto Ciulli und Jürgen Fabritius orientierte, nicht mehr viel zu tun. Das allein muß ja kein Mangel sein, hat Goldoni schließlich doch nur das Gerüst der Handlung bereitgestellt. Doch der Regisseur, der dem Hotel von Florindo und der als Mann verkleideten Beatrice den Namen „Zum toten Schwan“ verleiht, macht aus der Komödie eine recht platte Klamotte, bei der am lang erwarteten Ende auch noch ein riesiger illuminierter, weißer Schwan seinen Auftritt hat und Clarice und Silvio sich in Lohengrin-Posen und Gesangsfetzen wieder nahe kommen.
 
Der Applaus am Ende war für Bochumer Verhältnisse mager, höchstens freundlich zu bewerten. Drei anstrengende Stunden, bei denen nicht wenige Zuschauer unmittelbar nach dem Fallen des blauen Vorhangs schleunigst das Weite suchten. Beim Verlassen des Theaters hörte der Rezensent den Stoßseufzer einer älteren Dame, die mit den Worten „Mein lieber Schwan!“ versuchte, das Theatererlebnis in aller Kürze zu bewerten.
 
Die nächsten Aufführungen gibt es am 8., 14., 20. und 26. Dezember.
 
Weitere Informationen: www.schauspielhausbochum.de
 
Redaktion: Frank Becker