„Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist Dein Sieg“

Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ am kommenden Samstag im WTT

von Frank Becker

Björn Lenz - Foto © Frank Becker
„Tod, wo ist dein Stachel?
Hölle, wo ist Dein Sieg“*
 
Sartres „Geschlossene Gesellschaft“
am kommenden Samstag im WTT
 
 
Remscheid. An den Korinther-Brief des Apostel Paulus (15,55)* hat Jean Paul Sartre sicher weniger gedacht, als er 1944 „Huis clos“ (Geschlossene Gesellschaft), sein Programmstück des Existenzialismus, auf die Bühne des Pariser Théâtre du Vieux-Colombier brachte. Da wird dem Heidegger-Schüler wohl der „Faust“ näher gewesen sein, dessen „Ich bin mir Hölle selbst genug“ in reziproker Nähe zu  Sartres „Die Hölle – das sind die anderen“ steht.
Wenn sich am kommenden Samstagabend für Sartres Drama im Westdeutschen Tournee Theater Remscheid (WTT) der Vorhang hebt, wird sich dem Publikum eine etwas andere, wenn auch nicht minder geschlossene Gesellschaft präsentieren, deren existenzielle Fragestellung nach dem eigenen Ich zwar die gleiche bleibt, sich aber in der Auseinandersetzung damit und den Antworten vom bisherigen Bild des Existenzialismus entfernt. Claudia Sowa, Intendantin des Hauses und Regisseurin der Inszenierung, ist durchaus der Meinung, dass Sartres Existenzialismus auch heute noch seine Berechtigung hat, dass die Lokalisierung der „Hölle im anderen“ aber zwangsläufig zum Fragesteller zurück führt. Womit wir wieder beim „Faust“ sind.
 
„Ich heidegger dich in Grund und Boden“ (Pigor)
 
Die Remscheider Inszenierung löst sich – und hier finden wir einen fundamental neuen Ansatz zur

Es ist heiß in der Hölle: Björn Lukas - Foto © Frank Becker
Annäherung an Sartres Absichten – von hergebrachten Mustern. Wir erinnern uns  an Inszenierungen der 50er und 60er Jahre, in denen bitterernst mit gefurchter Stirn auf leerer Bühne in schwarzen Rollkragenpullovern grüblerisch agiert wurde. Claudia Sowa bereitet dem Grübeln ein Ende, ersetzt es durch scharfzüngige Pikanterie. Sie macht aus den selbstquälerischen Heideggerschen Seinsfragen eine leichtfüßige, nichtsdestoweniger in die Tiefe gehende Gesellschafts-Satire, ersetzt die auf Søren Kierkegaard zurückgehende Angst, die durch Karl Jaspers zur „German Angst wurde“ – womit wir wieder bei Sartre sind - durch eine neue, spannende Gewichtung, indem Claudia Sowa auf der Spur Thomas Pigors wandelt. Der nämlich hat böse gesungen „Ich heidegger dich in Grund und Boden“ – was der Sache den Stachel nimmt. Das philosophische Lehrstück Sartres - es bleibt eines - wird dadurch leichter.

Das Ende ist auch immer ein Anfang

 
Unsere Protagonisten: Garcin, Journalist, der als Deserteur erschossen wurde (Björn Lukas), Estelle, auf Äußerlichkeiten fixierte Kindsmörderin (Kristina Otten) und Ines, bisexuelle Außenseiterin, für den eigenen Tod verantwortlich (Verena Sander), in schwarz/weinrot/mattweiß gehaltener Atmosphäre – Björn Lenz agiert in Grautönen als bleicher Charon - werden am Ort ihres Zusammentreffen, nämlich post mortem in der Hölle, auf ihrer Suche nach Liebe, Anerkennung, Nähe und Sexualität natürlich an Existenzfragen, verschlossenen Türen, aneinander und nicht zuletzt an sich selbst scheitern. Dieses Scheitern durch Mangel an Reflexion, Reaktion und Veränderung, der Weg in die ewige Qual aber bekommt durch das sorgsam herausgearbeitete Komödiantische in der Höllen-Hitze des Hades besonderen Pfiff. Und: Das Ende ist immer auch ein Anfang.


v.l.: Verena Sander, Kristina Otten, Björn Lukas - Foto © Frank Becker

Es gibt keinen Schlaf für die Verdammten und keine Pause fürs Publikum. Die 90 Minuten satirischer Höllenritt versprechen ein brillanter Theaterabend zu werden.
 
Premiere am Samstag, 15.9.12, 20.00 Uhr -  Nächste Vorstellung: 16.9., 18.00 Uhr – Weitere Termine: 17. und 18.9., jeweils 10.00 Uhr für Schulen - und 19.9., 20.00 Uhr
 
Weitere Informationen und Karten: www.wtt-remscheid.de und Tel. 02191-3 22 85