Können/müssen wir die Welt retten?

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Können/müssen wir die Welt retten?

Am besten man sagt überhaupt nichts. Wenn alle immer anfangen zu erklären, wie man die Welt retten kann, wird es total kompliziert. Ich denke manchmal, lohnt sich denn das überhaupt? Sollen wir nicht einfach weitermachen wie bisher? Sollen wir nicht abwarten was passiert? Einfach die letzten Tage genießen und Fünfe gerade sein lassen?  Die Welt wird sich schon melden, wenn ihr was gegen den Strich geht. Warum muß das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, immer eine gerechte Bewegung werden? Wenn alle immer sagen, daß die Welt gerettet werden muß durch Rücksicht, Aufopferung und Engagement, dann wundere ich mich nicht, daß das bei den meisten auf taube Ohren stößt. Ist es denn wirklich nötig, daß es beim Überleben allen gleich schlecht geht? Heißt denn teilen: Alle haben zu wenig? Warum teilen die am großzügigsten, die am wenigsten haben? Sollten nicht die, die teilen, mehr haben, als die, denen sie was abgeben? Sollten nicht überhaupt die, die das Teilen organisieren, für diese aufopfernde Aufgabe fürstlich entlohnt werden? Es geht doch keinem schlechter, wenn es mir besser geht - oder? Ich könnte Ungerechtigkeit besser bekämpfen, wenn der ungerecht Behandelte mir dafür Geld geben würde. Oder wäre das ungerecht? Muß man denn jemanden gern haben, wenn man ihm helfen will? Ich wollte mal jemanden helfen, dem nicht mehr zu helfen war. Das mir sehr viel Kraft gegeben. Einem Kranken helfe ich am liebsten, wenn er lustig ist. Es ist doch so: Am Anfang wollen viele mitmachen, doch sobald es dann Ernst wird, haben es alle im Rücken. Zum Schluß bleibt doch nur wieder alles an Ute, Bärbel, Insa und Yvonne hängen. Der Aufstand der Anständigen kann doch nicht am Rücken scheitern. Da müssen die Schnittchen für den Basar geschmiert werden. Plakate für das Benefizkonzert geklebt werden. Und wer lädt ein zum großen Essen gegen den Hunger in der Welt? Dürfen wir zur Weltrettung mit dem Auto kommen? Darf mein Bruder auch gerettet werden, obwohl er für EON arbeitet? Wenn ich den dicken Peter Altmaier sehe, weiß ich, daß wir auch ohne Strom genug zu essen haben werden. Übrigens: Retten wir auch die Hammondorgelspieler? Retten wir auch die Hammondorgelspieler mit ihren eingebauten Schlagzeugen? Retten wir auch die Hammondorgelspieler mit ihren eingebauten Schlagzeugen und diesen heruntergenudelten Medleys, die alle so klingen wie Ballade pour Adeline von Richard Clayderman? Retten wir Richard Clayderman? Retten wir die Männer, selbst die, die sich beim Pinkeln nicht hinsetzen? Und angenommen, wenn wir die Welt gerettet haben - können wir dann wieder mit unseren Autos herumfahren? Können wir dann erstmal auch wieder normal leben, also ganz ohne Rücksicht, Aufopferung und Einschränkungen?



© 2012 Erwin Grosche - Erstveröffentlichung in den Musenblättern