Ein Hotel voll mit Leere
Martin Kloepfer inszeniert in Wuppertal Ödön von Horváths
„Zur schönen Aussicht“
Inszenierung: Martin Kloepfer - Bühne und Kostüme: Oliver Kostecka - Dramaturgie: Oliver Held.
Besetzung: Max: Thomas Braus – Karl: Heisam Abbas – Müller: Hendrik Vogt – Strasser: Holger Kraft – Emanuel Freiherr von Stetten: Marco Wohlwend – Ada Freifrau von Stetten: Sophie Basse – Christine: Anne-Catherine Studer
Vor einigen Wochen erst versetzten die Wuppertaler Bühnen ihrem Premierenpublikum mit Franz Molnars „Liliom“ einen gehörigen Schlag: Sibylle Fabians Inszenierung schockte mit Horror-Szenen, die völlig unerwartet kamen – und unbegründet blieben. Wer sehr wohlmeinend war, suchte verzweifelt nach einem tieferen Sinn, weil das Bühnengeschehen im Wortsinn danach schrie. Diese Gefahr, Tiefe zu vermuten, besteht nun beim Stück „Zur schönen Aussicht“ von Ödön von Horváth jedenfalls nicht. Aber das ist auch wieder etwas schade.
Bis hierhin immerhin witzig
Die frühe Komödie des Spezialisten für verlogene Gemütlichkeit bietet eine Szenerie menschlicher Regisseur Martin Kloepfer entfaltet hier zunächst ein ziemlich komisches Panorama der Lethargie. Es gibt eine tolle Idee fürs Bühnenbild (Oliver Kostecka): Gespielt wird vor dem hoch aufragenden Hotel in Form eines gigantischen Holzkastens – und damit ist die halbe Bühne voll: voller Leere. Unauffällig, wie es typisch sein dürfte für Leere, aber grad daher so clever. Entsprechend das Personal (Thomas Braus und Heisam Abbas): Es lümmelt lustlos in der Lobby und vertreibt sich die mangels Gästen überreiche Zeit mit gegenseitigen Vorwürfen aus ferner Vergangenheit. Und: mit ausgiebiger Fußpflege. Daß keiner weiß, wo das hinführen soll: Hier ist es noch witzig.
Eine Sonderwelt
Irgendwann möchte man es aber wissen – jedenfalls sofern man nicht in der Lobby, sondern im
Das wird dann zum Problem, wenn Strassers Geliebte Christine anreist und in den Reigen tritt. Denn wo Horváth mit ihr wohl eine Figur im Sinn hatte, die von außen in eine verfallene Sonderwelt einbricht, da existiert hier diese Sonderwelt bei ihrer Ankunft gar nicht mehr – mehr Aggression als Tristesse. Das hindert die Regie aber nicht daran, in dieselbe Kerbe zu hauen, die schon der Autor recht penetrant ausschartet: Christine als reine Seele und einzig Tatbereite. Das faule Volk um sie herum behandelt sie geringschätzig bis gewalttätig und beginnt erst dann, sie zu poussieren, als sich herausstellt, daß sie wohl Geld hat und das Hotel vor dem völligen Ruin bewahren könnte. Die Inszenierung weist Anne-Catherine Studer weiterhin diese Rolle zu (fast möchte man sagen: die einer „christ“lichen dea ex machina), die daher blaß bleiben muß.
Zweifelhafte Apotheose
Heuchelei, häufiges Ziel von Horváth-Stücken, ist kein großes Thema heute Abend – aber ein anderes ist auch nicht zu sehen. Da helfen ein paar halbherzige Aktualisierungsversuche wenig weiter („Ich bin abgebaut. Bei Schlecker.“). Am Ende segelt’s unschuldsweiß vom Hotelfenster, Feder für Feder – Christine hat überlegen die Gesellschaft verlassen, schüttelt die Betten und ist gänzlich zum Engel emporgestiegen. Das ist dann im Schlußbild wirklich eine schöne Aussicht – aber die anderen Figuren des Abends sind entweder zu komisch oder zu cool, als daß diese Apotheose so recht interessant wäre.
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de
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