In den kommenden großen Ferien...

von Hanns Dieter Hüsch

In den kommenden großen Ferien
Haben wir unnachahmliche Dinge vor
Wir möchten einige Dinge unternehmen
Die wir bis jetzt noch nie unternommen haben
Wir wollen uns zum Beispiel
Von unserem Land und unserer Zeit verabschieden
Wir stimmen mit beiden nicht mehr so ganz überein
Es tut uns leid
Aber die Jahre sind dahin
Gut
In den großen Ferien werden wir natürlich auch
Einen alten Wald bewundern
Und uns vorsichtig einem dunklen See nähern
Und endlich ein dickes Buch das wir schon immer zu
Ende lesen
Wollten
Zu Ende lesen
Niemand soll uns erreichen
Wir haben uns vorgenommen Haken zu schlagen
Und wollen ständig unsere Spuren verwischen
Und eine Sprache sprechen die uns nicht verrät
Nicht mal eine weiße Fahne werden wir mitführen
In den großen Ferien wollen wir ein Narrenschiff
stehlen
Natürlich ein lächerliches Ruderboot
Und werden so weit aufs Meer hinausfahren
Daß niemand unser Weinen hort
Manchmal nachts
Wenn wir der Widersprüche nicht Herr werden
In den großen Ferien
Wollen wir einen Segelflieger bitten
Uns hinaufzufliegen
Daß wir einmal die Erde ohne uns sehen
In den großen Ferien
Werden wir natürlich auch eine Eisdiele besuchen
Einen Zoo
Eine alte gemütliche Kirche
Und eine Tropfsteinhöhle
Wie das so üblich ist
Aber wer uns nach Land und Zeit fragt
Nach Antworten und Lösungen
Nach Vergangenheit und Zukunft
Dem wollen wir in den großen Ferien einen Kuß
Auf die Stirn geben
Denn so heilig und so fehlerlos wollen wir in den
großen Ferien
Nicht sein
In den großen Ferien möchten wir fröhlich sein
Und eine Geschichte der Gleich-Gültigkeit schreiben
Und wenn wir nach wenigen Wochen zurückkehren müssen
Wird es denken wir früh genug sein
Sich dann den staatlichen Aufsichtsbehörden
Und einer vernunftbegabten Gesellschaft
Wieder zu stellen
Wenn nichts dazwischenkommt.
 
 
Hanns Dieter Hüsch



© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung