Angst vorm Spiegelei

Eine moselfränkische Anekdote

von Rudolf Engel

Rudolf Engel  -  Foto © Frank Becker

Angst vorm Spiegelei

Eine moselfränkische Anekdote

von Rudolf Engel


Mir hotten ed Kätchin, ed Kläänscht vun oasen Noorberschleit fier zweijn Deech bei oas gehott. De Jakobs vun newenunn woaren nö Treijer wallfoahren, ze Foas zum Heiligen Rock, dörch de Wald iwer de Hand, ed Bloome Kreiz ronner nö Soarhelzbich un dann de Soar entlang bes nö Trejer. Weij sei loasgang säan, hot noch hier Mamm zoù meiner gesoat:
„Ed wier e besselchin glott säan,
wenn ed un d´ Äassen gäht;
awer sonscht äas oas Kätchin
bei annere Leiden schu brav.“
Dö hot mei Mamm gesaot,
 -„Ma Liss, eich kennen doch dei Meedchin! Dat mäat seim Appetit, dat wieren mir schun hinkreijn!“
 
Mir hun jo dat Meedchin all goat kannt; brav woar dat emmer schu gewierscht; un wej ed seich dann bei oas um Desch herausstelle sollt, glott woar ed och.
Denn wej mir um annern Daach vum Krombernheifen off oasem Steck äan Hontel iwer Mettich haam komm säan und oas Mamm de Kappestiertich und dat Steck Seiteflääsch off den Desch bröht hot, dö wollt dat Kätchin seich goar net ejscht un den Desch setzen. Ed hot de Kopp off de Seit gedreht und gesoat:
„Eich hun kään Honger, loo devun kann eich neischt äaßen!“
Mei Mamm woar jo schun viergewarnt und hott ed Käand gefröt:
-„Ma watt geengscht dau dann lewer äaßen? – Soll eich dir ebbes annerschtes maachen?“
Awer ed Kätchin hot nur de Kopp geresselt und „mh, mh“ gemaach.
„Soll eich dir vielleicht en Sejsschmier maachen, mäat goarder Botter
un Zeij-mich-lank?“
Wat mei Mamm och ubejde wollt; ed Kätchin hot emmer nur de Kopp hin un her gedreht un „mh, mh“ gemaach. Un weij mei Mamm neicht annerscht mej unzebejden woscht, dö hot sei gesoat:
„Ma soll eich dir dann e Spicheläj maachen!“
 
Ed Kätchin hot e Moment lang gestutzt, hot nemmeij de Kopp geresselt un schließlich ganz zouversichtlich gesoat:
-„Eich heed ed doch lejwer äam Pännchin gebroat!“   
         
Wir hatten Kätchen, das Kleinste von unseren Nachbarsleuten für zwei Tage bei uns gehabt. Die Jakobs von nebenan waren nach Trier wallfahren, zu Fuß zum Heiligen Rock, durch den Wald über die Hand, das Blumen Kreuz hinunter nach Saarhölzbach und dann die Saar entlang bis nach Trier. Als sie losgegangnen waren, hatte ihre Mutter noch zu meiner gesagt:
„Es wird ein wenig wählerisch sein,
wenn es ans Essen geht;
aber sonst ist unser Kätchen
bei andern Leuten sehr brav!“
Da sagte meine Mutter:
„Aber Liss, ich kenne doch dein Mädchen! Das mit seinem Appetit, das werden wir schon hinkriegen!“

Wir haben ja das Mädchen alle gut gekannt; brav war es immer schon gewesen; und wie sich dann bei uns am Tisch herausstellen sollte, wählerich war es auch.
Denn als wir am andern Tag vom Kartoffelhäufen auf unserm Feldstück in Hontel über Mittag heim kamen und unsere Mutter den Kappestiertich und das Stück Seitenfleisch auf den Tisch brachte, da wollte das Kätchen sich gar nicht erst an den Tisch  setzen. Es hatte den Kopf auf die Seite gedreht und gesagt:
„Ich habe keinen Hunger, ich kann davon  nichts essen!“
Meine Mutter war schon vorgewarnt und hatte das Kätchen gefragt:
Ma, was würdest du dann lieber essen? – Soll ich dir etwas anderes machen?“
Aber das Kätchen hatte nur den Kopf geschüttelt und „mh, mh“ gemacht.
„Soll ich dir vielleicht ein Marmeladenbrot machen, mit guter Butter und Zieh-mich-lang?“
Was meine Mutter auch anbieten wollte, das Kätchen hatte immer nur den Kopf hin und her gedreht und „mh, mh“ gemacht. Und als meine Mutter nichts anderes mehr anzubieten wußte, da hatte sie gesagt:
„Ma, soll ich dir dann ein Spiegelei machen?“

Das Kätchen stutzte einen Moment lang, schüttelte nicht mehr den Kopf und hat schließlich ganz zuversichtlich gesagt:
„Ich hätte es doch lieber im Pfännchen gebraten!“

Glossar:
glott   -   wählerisch beim Essen
De Hand  -  eine Wegkreuzung im Brotdorfer Forst
Kappestiertich - Stampfkartoffeln mit Sauerkraut und Speck gemischt
Zeij-mich-lank 
Rübensaftmarmelade


 

Glossar:
glott   -   wählerisch beim Essen
De Hand  -  eine Wegkreuzung im Brotdorfer Forst
Kappestiertich - Stampfkartoffeln mit Sauerkraut und Speck gemischt
Zeij-mich-lank 
Rübensaftmarmelade