Alter Schwede!

Blutleerer „Richard III.“ am Schauspielhaus Düsseldorf

von Andreas Rehnolt
Blutleerer „Richard III.“
am Schauspielhaus Düsseldorf
 
Das Abschlachten gerät in Staffan Valdemar Holms Fassung 
des Shakespeare-Klassikers vor allem lang und langweilig
 
Düsseldorf - Der mörderische Shakespeare-Klassiker "Richard III." gerät in der Variante des bislang eher glücklosen Generalintendanten Staffan Valdemar Holm im Düsseldorfer Schauspielhaus vor allem lang, absolut blutleer und in weiten Teilen langweilig - fast unverständlich. Man weiß, daß und wie der seit einer knappen Spielzeit eher glücklos im traditionsreichen Haus am Gustav-Gründgens-Platz amtierende Hausherr das Stück bereits vor ein paar Jahren am Königlichen Theater Kopenhagen auf die Bühne brachte – nämlich beinahe ebenso. Den dänischen Pressestimmen zu „Richard III.“ mag man sich jedoch nicht anschließen.
 
Während Jürgen Goschs Inszenierung des Shakespear'schen "Macbeth" 2005  bluttriefend  Schlagzeilen machte, reicht es bei Holm nur zur mit Kreide Opfer ausstreichenden Tragödie. Nicht selten erinnert die Fassung auf der gänzlich schwarz gehaltenen Bühne mit rund 30 Stühlen an eine Stuhlkreis-Version der Volkshochschule. Vor allem die jungen Schauspieler mußten ohne Chance zwischen Schlächtern und Geschlachteten, Mittätern und Opfern hin und her springen und konnten so auch nicht einer einzigen Figur Kontur verleihen.
 
Dazu kommt, daß es im - zumindest bis zur Pause - relativ gut gefüllten Großen Haus des Düsseldorfer Theaters auf der kreidigen Bühne extrem lautstark zuging (wie in Kopenhagen). Vor allem die vier Damen - Manuela Alphons als Herzogin von York, Claudia Hübbecker als Königin Elisabeth, Patrizia Wapinska als Lady Anne und vor allem Karin Pfammatter als brüllend-geifernde Königin Margaret, sorgten nicht nur bei der Premiere für Ohrenschmerzen und angeekelte Gesichter beim Publikum.
Richard hat den alten König Heinrich VI. und dessen Sohn abgestochen, er wird seinen Bruder Clarence, dann die kleinen Thronerben seines königlichen Bruders Edward ermorden lassen, wird Lady Anne, die Schwiegertochter von Heinrich VI., die er von der Leiche ihres von ihm ermordeten Schwiegervaters weg verführt und ehelicht, auch ermorden, wird jedem, der sich ihm in den Weg stellt, den Kopf abschlagen - und hat ein riesiges Vergnügen daran.
 
Rainer Galke, anfangs in der Rolle des Herzogs von Gloucester, später als Richard III., ist böse und spielt böse. Sein dicklicher, kahlköpfig, schmierig und biertischmäßig daherkommender Richard III. ist fies, ist eklig und zugleich genial. Er ist es in Holms Fassung, der die Sympathien des Publikums auf seiner Seite hat, ganz egal, wie viele Menschen er abschlachten läßt. Alle anderen Mitstreiter auf der Bühne sind in der Düsseldorfer Version zumindest ab und an genauso gut/genauso schlecht Richard III. Es leuchtet aber nicht ein, warum junge, selbst jüngste Ensemble-Mitglieder gänzlich ohne Maske, jedwede Requisite oder angemessenes Kostüm von jetzt auf gleich alte, älteste und dann wieder junge, jüngste Figuren im Stück darstellen können sollen. Nach einer Pause zeigte sich in der Konsequenz das Premierenpublikum des Historiendramas deutlich ausgedünnt. Abstimmung mit den Füßen.
 
Die schwarzen Wände der Bühne sind mit dem Stammbaum der in die Auseinandersetzung verkeilten Adelshäuser beschriftet. Das ähnelt einer Unterrichtstafel. So erinnert denn auch in der ersten Halbzeit die Inszenierung mal an Schülertheater, mal an einen psychotherapeutischen Stuhlkreis, mal an die Sitzung einer  Selbsterfahrungsgruppe einer VHS oder Kirchengemeinde. Auf den Wänden sind die Namen aller Figuren notiert. Stirbt eine, wird ihr Name ausgestrichen. Damit jeder weiß, wie weit man jetzt ist. Es wird viel zu viel und vor allem viel zu lange  gespuckt, geschrieen, gezappelt und gestottert (wie in Kopenhagen). Holm läßt nicht mit dem Dolch oder Schwert morden, er tötet durch endloses Erwürgen (wie in Kopenhagen). Das wirkt mitunter beinahe wie Slapstick und zu gewollt. Dazu toben sich die vier Frauen des Ensembles in ihrem Leid als an die Nerven gehende, hysterische Megären aus. 
Die mit 190 Minuten extrem überzogene Inszenierung überschreitet nach allen Kriterien die Grenze des Erträglichen.
 
Nächste Aufführungen: 21. und 24. April jeweils um 19.30 Uhr