Eine Ausgrabung

Jussi Adler Olsen - „Das Alphabethaus“

von Frank Becker
Eine Ausgrabung
 
„Das Alphabethaus“, Jussi Adler Olsens Erstling aus dem Jahr 1997 kommt, so scheint es, wohl als Lückenbüßer auf den deutschen Markt, nachdem seine drei Carl Mørck-Thriller hierzulande wie Bomben eingeschlagen sind und alles hinweggefegt haben, was zuvor an skandinavischer Spannungs-Literatur vorhanden war. Ein Hattrick. In Dänemark sind mittlerweile weitere Romane des unerhört produktiven Schriftstellers erschienen, z.B. Fall Nr. 4 des Ermittlers Carl Mørck, Titel: „Journal 64“ – bei dtv schon unter dem Titel „Verachtung“ für September angekündigt. Da müssen die nach neuen Adler-Olsen-Thrillern hungernden Leser sozusagen ruhiggestellt werden. Womit wir wieder bei „Das Alphabethaus“ sind.
 
In diesem immerhin 589 Seiten wuchtigen Lückenbüßer werden die beiden Hauptfiguren James und Bryan, zwei britische Piloten, im 2. Weltkrieg über deutschen Gebiet abgeschossen. Zwar überstehen sie den Absturz, doch hängt ihr weiteres Überleben im Feindesland vom Erfolg ihrer Flucht ab. Nach dem nächtlichen Aufspringen auf einen langsam fahrenden Zug stellen sie fest, daß es ein Lazarettzug der SS ist und der Wagen, den sie geentert haben, eine rollende Krankenstation für an der Front traumatisierte Offiziere der SS ist. Sie bringen zwei der Insassen um, legen sich in deren Betten und simulieren stumme geistige Verwirrung. Das gelingt ihnen, bis sie am Ziel der Reise, einem versteckten Lazarett im Schwarzwald merken müssen, daß auch einige andere Simulanten dort sind, nämlich SS-Offiziere, die sich von der Front verdrückt haben, um in der Heimat das Ende des Krieges abzuwarten und danach die Kriegsbeute zu genießen. Daß denen jeder andere vorgebliche Kranke eine Gefahr darstellt, die beseitigt werden muß, macht jeden Tag zum Drahtseilakt zwischen Leben und Tod. Nach Flucht und Kriegsende nimmt Bryan Jahrzehnte später die Spur seines seitdem verschollenen Kameraden James und der Menschen auf, die ihn über Monate in diesem Schwarzwald-Lazarett begleitet, bedroht und bewacht haben.
 
Es gibt in diesem aus Adler Olsens Frühzeiten ausgebuddeltem Roman, der auch sprachlich nicht annähernd an die Qualitäten der Carl Mørck-Krimis heranreicht, allerlei Konstrukte und Ungereimtheiten, die sich nicht mit der messerscharfen Logik, durch die Adler-Olsen hier bekannt und beliebt geworden ist, vereinbaren. „Das Alphabethaus“ fällt in Idee, Logik, Erzählstrang und Spannung weit hinter Adler-Olsens spätere Bücher zurück. Das Buch ist langatmig, ja spürbar in die Länge gezogen, läßt Glaubhaftigkeit über längste Strecken vermissen und weist immer wieder nicht nachvollziehbare Wendungen auf. Immerhin hat sich der Roman in den Bestsellerlisten allein durch den Namen Adler Olsen einen Spitzenplatz gesichert. Doch freut sich der Rezensent schon auf „Verachtung“.  
 
Jussi Adler Olsen - „Das Alphabethaus“
Roman - C 2012 dtv premium, 589 Seiten, Klappenbroschur, 15,90 €
 

Weitere Informationen:  www.adler-olsen.de/  -  www.jussiadlerolsen.dk/ und  www.dtv.de